Für das erste Kind ist es ein großer Einschnitt, ein Schwesterchen oder ein Brüderchen zu bekommen. Plötzlich ist man nicht mehr das Einzige, man muss ganz viel und vor allem die Eltern teilen. Auch wenn Kinder sich freuen, oder sich sogar ein Geschwister gewünscht haben, erzeugt es meistens große Ambivalenz. Also Freude und Aufregung, aber auch Angst, Wut und Aggressionen.
Ich war zuerst da: Das erstgeborene Kind
Das erste Kind hat den Vorteil, die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern genießen zu können.
Entsprechend nah ist das erste Kind an den Eltern dran, es fühlt sich manchmal sogar als Teil einer gleichberechtigten WG, niemand stellt mich in Frage, alles dreht sich um mich. Dieses Grundgefühl hält im späteren Leben häufig an: Älteste Kinder leiden z.B. am meisten, wenn sich die Eltern scheiden lassen, fühlen sich später oft für die pflegebedürftigen Eltern am meisten verantwortlich und appellieren bis zuletzt an Vernunft - häufig auch in ihren späteren Beziehungen.
Die Ankunft des Geschwisters ist eine emotionale Achterbahnfahrt
Ein Geschichtenerzähler beschreibt seinen Thronstoß
Der schwedische Regisseur Ingmar Bergmann beschreibt die Ankunft seiner Schwester:
„Meine Schwester wird geboren, ich bin vier Jahre alt, und die Situation ändert sich radikal: Eine fette, missgestaltete Person spielt plötzlich die Hauptrolle. Ich werde aus dem Bett meiner Mutter vertrieben, mein Vater strahlt angesichts des brüllenden Bündels. Der Dämon der Eifersucht hat seine Kralle in mein Herz geschlagen… ich mache Pläne wie man das abscheuliche Geschöpf auf verschiedene Weisen umbringen kann“
Das ist natürlich nicht immer so dramatisch, viele erste Kinder sind auch stolz auf ihr jüngeres Geschwisterkind, entwickeln Beschützerinstinkte, helfen, regen zu Spielen an und können sich wunderbar in das kleine Geschwisterchen einfühlen. Auch die Vorbildfunktion gefällt vielen älteren Kindern.
Der Sturz vom Thron erzeugt ein Wechselbad der Gefühle
Mit der Geburt eines Geschwisters werde ich erst mal definitiv vom Thron geworfen und werde zum Älteren, werde in eine neue Rolle gedrängt. Oft sind die Erstgeborenen auf Geburtsanzeigen strahlend abgebildet, wie sie freudig ihr neugeborenes Geschwister im Arm halten und ich frage mich oft, wie echt oder wie gestellt das von den Eltern ist.
Auch wenn ein Kind erst zwei oder drei Jahre alt ist, er oder sie ist das ÄLTERE. Damit einhergehen entsprechende Erwartungen, wie Verzicht üben, Spielzeug teilen oder hergeben, vernünftig sein müssen und häufig auch Verantwortung für die kleine Schwester/den kleinen Bruder übertragen bekommen. Das kann wütend und enttäuscht machen. Aber auch Stolz erzeugen und manchmal ein gutes Gefühl von Überlegenheit.
Wie kann ich das erstgeborene Kind unterstützen?
Als Eltern können Sie Ihr Kind ganz behutsam auf das neue Familienmitglied vorbereiten. Und wenn das neue Familienmitglied dann da ist, benötigt der große Bruder oder die große Schwester eine Extraportion Aufmerksamkeit und Verständnis, um sich an die neue Situation zu gewöhnen.
Undbedingt vermeiden!
Wenig hilfreich ist es, das Baby vor dem älteren Geschwister zu behüten und zu beschützen oder das ältere Kind bei Fehlern zurechtweisen, Rücksicht und Vernunft zu fordern oder Babysitterdienste einzufordern. So werden oft Eifersucht und Streit zwischen den Geschwistern gefördert.
Widersprüchliche Gefühle dürfen sein
Es hilft, die Situation anzuerkennen und den widersprüchlichen Gefühlen zwischen Freude, Neugier, Wut und Enttäuschung des Erstgeborenen und Raum zu geben. „Du bist nicht böse weil Du manchmal wütend auf Deine kleine Schwester bistt, sondern wir verstehen das.“
Aufmerksam für die Bedürfnisse der Erstgeborenen sein
Das fängt vielleicht schon an mit der näher rückenden Geburt, umso näher die Geburt kommt, umso mehr ist es gut und wichtig, die Bedürfnisse des oder der Erstgeborenen vor Augen zu haben.
Erklären wie das Baby „funktioniert“.
Hilfreich ist es, dem ersten Kind viel zu erklären. Was tut das Baby, warum schreit es, was braucht es, eigene Beobachtungen des größeren Kindes beachten, eigene Erfahrungen machen lassen. Kinder in die Pflege einbeziehen hilft ihnen, sich wertvoll und als Teil des Ganzen zu fühlen.
Verständnis für Entwicklungsrückschritte
Viele Kinder neigen dazu, nach Geburt eines neuen Geschwisters Rückschritte in der Entwicklung zu machen. Sie nässen wieder ein, wollen auch Brei essen -am liebsten auch gefüttert- oder verlangen wieder nach einer Windel. Es ist hilfreich, dem Älteren das zu gestatten und Verständnis für diese Bedürfnisse zu zeigen. In der Regel gibt sich das von alleine ganz rasch wieder.
Geschenke für beide Kinder zur Geburt
Es muss nichts Riesiges oder Teures sein. Aber es ist tröstlich für das ältere Kind, wenn es nicht nur Geburtsgeschenke für das Neugeborene gibt, sondern der Besuch auch eine kleine Aufmerksamkeit für das ältere Kind mitbringt.
Die Rolle des Vaters
Eine ganz wichtige Rolle hat in dieser Phase der Vater, mit vermehrter Zuwendung und Aufmerksamkeit für das erste Kind. Diese Zuwendung hilft nachweislich, mit den zahlreichen Verlusten und der neuen Rolle besser klarzukommen. Er kann auch am besten auf die Privilegien zuerst da gewesen zu sein verweisen.
Sollen Kinder bei der Geburt der Geschwister dabei sein?
Untersuchungen aus Japan kommen zum Ergebnis, dass es Eltern als hilfreich und eifersuchtsverhütend wahrgenomemn haben, wenn das erste Kind bei der Geburt dabei war. Das sehe ich kritisch und darüber lässt sich bei uns in Europa sicher vortrefflich streiten…
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