Hilfe für Familien – Was tun, wenn mein Kind Drogen konsumiert?

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Das Leben mit einem pubertierenden Teenager kann eine Achterbahnfahrt der Emotionen sein. Wenn zu diesem turbulenten Alltag noch die Sorge hinzukommt, dass Ihr Kind Drogen konsumiert, kann das schnell überfordernd wirken. Doch Sie sind nicht allein. Viele Eltern stehen vor der gleichen Herausforderung.

Die erste Konfrontation mit dem Verdacht

Der Verdacht entsteht meist schleichend. Ihr Kind verbringt viel Zeit mit Freunden, kommt spät nach Hause und wirkt manchmal, als hätte es vielleicht Drogen genommen. Wenn Sie Ihr Kind darauf ansprechen, reagiert es abwehrend oder genervt: „Du übertreibst total!“
Eine Bekannte sagt: „Vielleicht kifft er ja. Das machen in dem Alter viele!“. Aber Sie fragen sich: Was kann da nicht alles in dem Alter schiefgehen?

Die Suche nach Antworten

Das nächste Mal, als Sie an der Jacke Ihres Kindes vorbeigehen, schauen Sie in die Jackentasche. Eigentlich würden Sie sowas ja nicht machen, schließlich ist Ihr Kind kein Kind mehr. Aber wenn es Ihnen ja nichts verrät? Sie finden nichts. Vielleicht besser mal im Zimmer schauen, wenn es gerade nicht da ist? Sie wollten eh mal sauber machen in der Räuberhöhle, selbst macht es das ja nicht. Sie finden tatsächlich ein paar Tütchen mit so Zeug drin. Ist das jetzt Gras? Wie sollten Sie Ihr Kind darauf ansprechen? Was müssen Sie über Drogen wissen? Und vor allem: Müssen Sie sich Sorgen machen?

Verstehen, warum Jugendliche Drogen konsumieren

Es ist wichtig zu verstehen, dass Jugendliche oft aus Neugier oder dem Wunsch, dazuzugehören, zu Drogen greifen. Sie wollen ihre eigenen Erfahrungen machen und Grenzen austesten. Jugendliche müssen vieles ausprobieren, um herauszufinden, wer sie sind und sein wollen. Gleichzeitig kann das jugendliche Gehirn mögliche Konsequenzen noch nicht so gut abschätzen: Das Gehirn ist Großbaustelle. Nervenverbindungen werden effektiviert, und zwar „von hinten nach vorne“. Bedeutet, dass Bereiche, die beispielsweise für Gefühle zuständig sind, früher „überarbeitet“ werden als der Bereich, der für das logische Denken, bewusste Planen und die Handlungssteuerung zuständig ist. Was oft erklärt, warum Jugendliche Dinge tun, die riskant sind, bei denen man als Erwachsener denkt: Wenn man da mal nur drüber nachdenken würde! Genau, tun sie eben nicht. Daher ist es nicht überraschend, dass Jugendliche gerne „Probierkonsum“ betreiben, sei es Alkohol, Tabak, oder auch illegale Drogen wie Cannabis, Ecstasy oder andere.

Wie man mit seinem Kind über den Drogenkonsum spricht

Die Sache mit dem Erziehen hat sich in dem Alter schon einigermaßen erledigt. Jetzt geht es darum, die Basis zu nutzen – die Beziehung, die Sie miteinander haben! Da kann es erhellend sein, etwas bei der Suche im Zimmer zu finden, aber es geht auch um gegenseitiges Vertrauen: Sie wissen momentan vielleicht gerade nicht, was Sie Ihrem Kind glauben können; Ihr Kind wiederum möchte, dass Sie seine Privatsphäre respektieren. Oft ist ein klares Ansprechen von Vermutungen hilfreicher als heimliches Suchen. Aber auch einen Fund sollten Sie ansprechen.
Sinnvoll kann es sein, wenn Sie darauf achten, dass solche Gespräche in ruhigen Momenten stattfinden statt in einer akut aufgeregten Situation, wo sowohl Sie als auch Ihr Kind womöglich emotionaler sind. Sonst haben Sie wenig Chancen, dass das, was Sie besprechen möchten, bei Ihrem Kind ankommt. Sind die Emotionszentren im Gehirn vorrangig aktiv, wird Ihr Kind eher Widerstand zeigen. Lassen Sie sich nicht provozieren und halten Sie Ihrerseits keine Moralpredigten. Dabei kann helfen, sich über Fakten und eigene Haltung klar zu sein.

Sich mit eigenen Ängsten und Haltungen auseinandersetzen

Umgang mit den eigenen Worst-Case-Szenarien

Besonders wenn es um das Thema Drogenkonsum geht, können die eigenen Worst-Case-Gedanken schnell überhandnehmen. Viele Eltern machen sich Sorgen, dass es sich bereits um eine Sucht handelt, oder dass Cannabis die Einstiegsdroge ist und dass es dann automatisch weitergeht hin zu stärker abhängig machenden Drogen und das Kind „auf der Straße“ landet. Hier ist es wichtig, sich nicht von diesen Ängsten beherrschen zu lassen, sondern sich über die Substanz und ihre Wirkweise zu informieren. Fakten können helfen, manche dieser Sorgen zu beruhigen, und lassen Sie eine Einschätzung finden, wie wahrscheinlich diese Szenarien sind. So können Sie sortierter in ein Gespräch mit Ihrem Kind gehen und können seinen Argumenten passender begegnen.

Informiert bleiben und Ängste relativieren

Ihr Ausgangspunkt kann dabei sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob Sie selbst bereits Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben oder noch nie damit Berührung hatten. Es macht Sinn, bewusst über eigenen Konsum (auch außerhalb von Cannabis) nachzudenken, da Ihr Kind Sie damit konfrontieren kann – und auch, wenn es das nicht zugeben würde, sind Sie als Vorbild weiter wichtig und Ihre Meinung eine relevante Orientierung. Oft kann auch ein ehrlicher (nicht verharmlosender) Bericht über eigene Erfahrungen dazu beitragen, dass Sie miteinander mehr auf Augenhöhe sprechen können. Das Fehlen eigener Erfahrungen sollte Sie aber nicht verunsichern, wenn Ihr Kind Ihnen vorhält, Sie hätten ja keine Ahnung. Sie können trotzdem informiert sein und dem Ausprobieren Ihres Kindes Besonnenheit und Weitsicht entgegensetzen.

Jugendliche Perspektiven verstehen: Normalisierung von Cannabis

Womöglich hat Ihr Kind den Eindruck, dass der Konsum doch gar nicht so schlimm ist, schließlich „machen das doch alle“. Die neue Teillegalisierung zeigt, dass Cannabis einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft bekommen hat, und kann bei Jugendlichen noch mehr als zuvor den Eindruck erwecken, dass es daher wenig zu befürchten gibt. Das ist aus Perspektive der Jugendlichen auch nachvollziehbar. Es ändert allerdings nichts an den möglichen Risiken und auch nicht daran, dass es für Jugendliche weiterhin verboten bleibt.

Klare eigene Position: Vorbereitung auf das Gespräch mit Ihrem Kind

Sich vor einem Gespräch über die eigene Haltung klar zu sein oder zu werden, kann sehr wirkungsvoll sein, um Ihrem Kind möglichst sortiert gegenüberzutreten. Schauen Sie, was Sie beschäftigt: Was macht es mit mir, dass mit dem Konsumieren einer illegalen Substanz eine Grenze überschritten wurde? Was bedeutet es, wenn sich die Substanz in den eigenen vier Wänden befindet? Sollte ich meinem Kind lieber erlauben, zuhause zu kiffen, damit ich es wenigstens im Blick habe? Oder unterstütze ich damit das Ganze irgendwie indirekt und mache meine Haltung damit unglaubwürdig?

Interesse an der Perspektive Ihres Kindes zeigen

Gelingt ein Gespräch, geht es um das oben erwähnte „Beziehung statt Erziehung“: Sie können schwer den Freundeskreis verbieten, Sie können aber die „Beziehungs-Tür“ offenhalten: ehrliches Interesse zu zeigen an den Konsumerfahrungen Ihres Kindes bedeutet nicht, dass Sie automatisch die Risiken, die es damit eingeht, gutheißen, oder Ihre eigene Autorität untergraben. Genau hierfür ist es eben wichtig, sich der eigenen Haltung klar zu werden. Die eigene Haltung überstülpen lassen sich die Jugendlichen zwar nicht. Es geht ihnen ja darum, selbst herauszufinden, was sie wollen. Dennoch zählt Ihre Meinung auch weiterhin. Und für diese werben können sie am ehesten, wenn sie Ihrem Kind zeigen, dass seine Perspektive auch von Interesse ist. Zum Beispiel mit Fragen wie: „Wie ist es gekommen, dass ihr es ausprobieren wolltet?“, „Wie hast du den Rausch erlebt?“. Wenn Ihr Kind spürt, dass Sie den Konsum nicht per se verteufeln, sondern sich hineinversetzen können, wie das für Ihr Kind ist, auch wenn Sie selbst einen anderen Umgang damit haben, werden neue Kapazitäten frei: Ihrem Kind geht es dann nicht mehr so sehr darum, alles heimlich zu machen oder vehement gegen die elterlichen Sorgen zu argumentieren. Vielmehr entsteht die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Konsum auseinanderzusetzen und ihn auch zwiegespalten mit Vor- und mit Nachteilen sehen. Dieser eigene innere Prozess ist wichtig, weil gilt: egal ob jugendlich oder erwachsen: Schritte zur Veränderung kann jeder Mensch nur selbst gehen.

Über die kritischeren Aspekte des Konsums miteinander zu sprechen und das innere Auseinandersetzen anzustoßen, kann dann zum Beispiel so aussehen:

  • „Hattet ihr im Freundeskreis schonmal jemanden, dem es richtig schlecht ging, nachdem er oder sie gekifft hat?“
  • „Hast du neben den angenehmen Wirkungen auch unangenehme erlebt?“
  • „Weißt du, welche Risiken es gibt?“
  • „Was denkst du selbst: Hast du deinen Konsum gut unter Kontrolle?“, „Was wären Anzeichen dafür, dass sich das in Richtung weniger Kontrolle entwickelt?“

Eigene Haltung vertreten und Feedback geben

Hier können Sie auch Feedback geben, wie Sie selbst den Konsum Ihres Kindes wahrnehmen: „In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass du abwesend bist, viel vergesslicher bist und die Schule vernachlässigst. Das macht mir Sorgen.“ Bei allem Hineinversetzen und Versuchen, die Handlungen Ihres Kindes nachzuvollziehen, muss auch nachvollziehbar sein, dass es nun mal Ihr „Job“ ist, sich Gedanken zu machen und Sie auch Verantwortung mittragen. Und mögliche Konsequenzen auch einfach weitsichtiger abschätzen können, als es im Jugendalter der Fall ist. Ihre eigene Haltung, auch wenn Sie (noch) anders sein sollte als die Ihres Kindes, kann auch Orientierung geben in turbulenten Zeiten.

Wovon ist es abhängig, ob mein Kind süchtig wird?

  • Von der Substanz: chemische Zusammensetzung, spezifische Wirkweise, unterschiedliche Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung
  • Von der Person: Individuelle körperliche und seelische Eigenschaften; z.B.: Wie reagiert der Körper darauf? Aus welchen Motiven heraus wird konsumiert? Geht es um Spaß, Geselligkeit? Oder darum, Probleme zu verdrängen, Konflikte erträglich zu machen?
  • Von der Umwelt: konsumierende Freunde, Reaktionen auf den Konsum, weitere wichtige Dinge neben dem Konsum wie Hobbys, Eingebundensein in Familie/soziales Umfeld, andere Stressfaktoren usw.
  • Vom Konsummuster: Häufigkeit, Zeitdauer, Menge

Bleibt es bei einem Probierkonsum, besteht erstmal weniger Anlass zur Sorge. Dennoch besteht auch bei einmaligem und gelegentlichem Konsum ein Risiko von Nebenwirkungen; insbesondere bei häufigerem Konsum je nach Umständen auch die Gefahr von langfristigen Schäden und einer Suchtentwicklung. Die andere Seite der Besonderheiten des jugendlichen Gehirns ist nämlich: Sie sind aufgrund der Umbauphase besonders anfällig für Einflüsse von außen. Mögliche Schäden können größer sein, das Gehirn reagiert sensibler.

Woran erkenne ich, dass mein Kind abhängig ist?

Es ist immer schwer zu sagen, inwieweit schon Anlass zur Sorge besteht. Kriterien für missbräuchlichen oder abhängigen Konsum können beispielsweise sein:

  • andere wichtige Lebensbereiche wie Schule/Arbeit, Hobbies, Freunde werden zunehmend vernachlässigt
  • die Konsumhäufigkeit und/oder -Menge wird gesteigert (man braucht immer mehr, um den gleichen Effekt zu erleben)
  • beim Versuch aufzuhören, gibt es Entzugserscheinungen (körperlich und/oder psychisch)
  • der junge Mensch verändert sich stark

Ob es nun Anlass zur Sorge gibt, oder Jugendliche erstmal ausprobieren: So oder so ist es wichtig, Jugendliche möglichst bei ihren Erfahrungen zu begleiten. So haben sie die Möglichkeit, Erfahrungen zu besprechen. Studien zeigen, dass Jugendliche mit alterstypischem Konsum sozial-emotional besser angepasst sind als solche, die ganz abstinent sind. Allerdings machen sie in der Regel gemischte Erfahrungen – und dann zu wissen, ich kann das auch mit jemandem besprechen, wenn mir etwas Angst macht, kann sehr wertvoll sein, um einen gesunden Umgang mit Rauschmitteln zu erlernen.

Die Risiken des Drogenkonsums

Die Risiken des Cannabiskonsums bei Jugendlichen sind vielfältig. Dazu gehören:

  1. Konzentrations- und Gedächtnisprobleme: Cannabis kann die Fähigkeit zur Konzentration und zum Erinnern beeinträchtigen, was sich auf die schulische Leistung auswirken kann.
  2. Horrortrips und gesundheitliche Risiken: Der Konsum von Cannabis kann zu unangenehmen Nebenwirkungen führen, wie Panikgefühlen, Herzrasen, Übelkeit, Schwindel, Halluzinationen und sogar Kreislaufkollaps. Diese negativen Erfahrungen können beängstigend und gefährlich sein.
  3. THC-Gehalt und Streckstoffe: Der THC-Gehalt, der berauschende Hauptwirkstoff von Cannabis, ist in den letzten Jahren gestiegen. Darüber hinaus können dem Cannabis Streckstoffe beigemischt sein, was die Risiken weiter erhöht.

Rechtliche Aspekte des Drogenkonsums

Es ist auch wichtig zu wissen, dass der Umgang mit Cannabis und anderen Drogen in Deutschland durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) stark reguliert ist. Durch die aktuelle Gesetzesänderung hat sich einiges verändert – für Jugendliche gilt jedoch weiterhin: Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis sind verboten.

Erkennen der eigenen Grenzen

Als Eltern um all diese Risiken zu wissen, aber festzustellen, dass Jugendliche sich nicht mehr so einfach etwas ausreden lassen, kann eine gehörige Herausforderung sein!

Es ist nicht immer leicht, wenn das eigene Kind Entscheidungen trifft, die ihm womöglich schaden können. Sie können als Elternteil begleiten, Angebote machen, auf sachliche Kommunikation achten. Aber Sie müssen auch auf sich und Ihre Grenzen achten: Was liegt im Bereich Ihrer Einflussmöglichkeit?

Manchmal ist der Spuk auch schnell von alleine wieder vorbei, und Sie und Ihr Kind um eine Erfahrung reicher. Manchmal können Rauschmittel aber eine große Macht haben, sich zwischen die Menschen stellen und deren Beziehungen durcheinanderwirbeln. In einem Alter, in dem eigentlich die Ablösung ansteht, können ein Konsum und die Sorge darum das Erwachsen werden und Erwachsenenwerden-Lassen erschweren.
 

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